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Eine 4-Tage-Woche klingt in erster Hinsicht äusserst verlockend: Etwas mehr pro Tag arbeiten, dafür gibt es wöchentlich drei Tage frei. Dieses Modell findet bereits in vielen Branchen Anwendung. Mancherorts sind die Mitarbeiter begeistert, an anderen Stellen konnte sich das Konzept eher weniger durchsetzen. Erste Versuche zur vier-Tage-Woche in der Pflege hat es in der jüngsten Vergangenheit beispielsweise im Nachbarland Deutschland gegeben. Auch in der Schweiz wird die öffentliche Debatte um das Thema lauter.
Kann sich die 4-Tage-Woche für die Pflege durchsetzen? Funktioniert ein derartiges Arbeitszeitmodell überhaupt auf diesem Gebiet? Welche Vor- und Nachteile würde dieses Konzept mit sich bringen? Antworten auf diese Fragen und mehr werden im folgenden Magazinbeitrag erörtert.
Alles Wichtige auf einen Blick
Das Modell der 4-Tage-Woche erfreut sich in vielen Branchen grosser Beliebtheit. Hierbei wird meistens die wöchentliche Arbeitszeit nicht reduziert, sondern auf vier (statt fünf) Werktage aufgeteilt. Das bedeutet: Längere Arbeitstage, dafür einen zusätzlichen freien Tag pro Woche. Viele erhoffen sich von dem Modell eine erhöhte Flexibilität, mehr Work-Life-Balance und somit zufriedenere Mitarbeiter.
Lange Arbeitszeiten stellen jedoch auch eine zusätzliche Belastung für das Personal dar. Ausserdem verkompliziert sich die Situation in der Pflege, in der bereits Personalmangel besteht, dadurch, dass die Erstellung der Dienstpläne noch komplexer wird. Auch mit den gesetzlichen Regelungen für die Schichtarbeit könnte das Konzept in Konflikt geraten. Pilotprojekte in der Schweiz und in Deutschland berichten bisher von gemischten Erfahrungen mit der 4-Tage-Woche im Pflegebetrieb.
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4-Tage-Woche in der Pflege – Arbeitszeitmodelle
Die Einführung der 4-Tage-Woche in der Pflege bringt eine Vielzahl von Möglichkeiten und Herausforderungen mit sich. Eine gängige Methode zur Umsetzung besteht darin, die Gesamtarbeitszeit zu reduzieren, wodurch Pflegefachpersonen bei angepasstem Gehalt vier Tage die Woche arbeiten. Diese Option erfordert eine sorgfältige Planung, um sicherzustellen, dass alle Schichten abgedeckt sind. Da im Bereich der Pflege generell ein Mangel an Fachpersonen besteht, wäre die Etablierung dieser Variante schwieriger.
Eine andere Möglichkeit ist hingegen die komprimierte Arbeitszeit, bei der Mitarbeiter ihre regulären Wochenstunden auf vier längere Tage verteilen. Dies kann allerdings zu einer erhöhten Belastung an den jeweiligen Arbeitstagen führen, da man dann statt den üblichen acht Stunden pro Tag vier Mal in der Woche zehn Stunden arbeiten müsste.
Entscheidend ist dabei in jeder Hinsicht die entsprechende Anpassung der Dienstpläne, um zu jeder Zeit genügend Personal vor Ort zu haben. Hier können Teilzeitkräfte oder eine gesteigerte Effizienz in den Arbeitsabläufen helfen. Flexibilität und Freiwilligkeit spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Einige Arbeitgeber bieten die 4-Tage-Woche etwa freiwillig an, um die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter zu steigern.
Gesetzlicher Rahmen
In der Schweiz legt das Arbeitsgesetz (ArG) klare Vorgaben zu Arbeits- und Ruhezeiten fest. Für die Pflegefachpersonen gelten spezifische Bestimmungen. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt im Gesundheitswesen 50 Stunden. Die tägliche Arbeitszeit inklusive Pausen ist auf maximal 14 Stunden beschränkt. Anders gestalten sich jedoch die Regelungen für Unternehmen mit Schichtbetrieb, wie es in Schweizer Spitälern die Regel ist. Die Arbeitszeit darf bei einem 3-Schicht-Modell zehn Stunden pro Tag (inklusive Pausen) nicht überschreiten. Bei Modellen mit nur zwei wechselnden Schichten beträgt die maximale tägliche Arbeitszeit elf Stunden.
Mit der laut Gesetz einzuhaltenden Ruhezeit von elf Stunden würde die 4-Tage-Woche nicht in Konflikt kommen. Allerdings würde die Regelung bezüglich der Arbeitszeit von maximal zehn Stunden pro Tag mit diesem Modell stark ausgereizt werden. Dazu muss man in Betracht ziehen, dass die wöchentliche Arbeitszeit im Gesundheitswesen bei rund 42 Stunden liegt. Teilt man diese Summe auf vier Tage auf, so würde das eine tägliche Arbeitszeit von 10,5 Stunden bedeuten – ohne Pausen. An dieser Stelle besteht also (zumindest im Hinblick auf Vollzeitstellen) noch Reformbedarf, sollten zukünftig mehr Pflegedienstleister das 4-Tage-Modell in Betracht ziehen.
4-Tage-Woche – Vorteile und Chancen
Die Einführung der 4-Tage-Woche in der Pflege bietet eine Reihe von positiven Aspekten. (Anmerkung: Einige der genannten Vorteile sind zunächst noch theoretischer Natur oder entstammen den Erfahrungen aus anderen Branchen. Inwiefern die möglichen Chancen auf das Berufsfeld der Pflege zutreffen, kann von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz variieren.)
- Erhöhung der Arbeitszufriedenheit: Kürzere Arbeitswochen können das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Mitarbeiter verbessern, da sie mehr Freizeit und Erholungsmöglichkeiten bieten.
- Attraktivität des Berufs: Ein flexibleres Arbeitszeitmodell kann den Pflegeberuf attraktiver machen und dabei helfen, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
- Verbesserte Work-Life-Balance: Mitarbeiter können ihre Arbeit und ihr Privatleben besser in Einklang bringen und nach eigenen Vorstellungen gestalten.
- Reduzierte Fehlzeiten: Eine höhere Zufriedenheit kann zu weniger Krankheitstagen und einer geringeren Fluktuation führen.
- Produktivität und Effizienz: Gut ausgeruhte Mitarbeiter arbeiten oft effizienter und konzentrierter, was die Qualität der Pflege verbessern kann.
- Verbesserte Patientenversorgung: Erhöhte Versorgungsqualität durch weniger Personalwechsel und Übergaben.
- Weniger Wegstrecke: Mitarbeiter mit längerer Anfahrtsstrecke sparen sich an einem weiteren Tag pro Woche den Weg zur Arbeit.
4-Tage-Woche – Nachteile
Die Schattenseite einer 4-Tage-Woche für die Schweizer Pflege sieht wie folgt aus:
- Erhöhte Arbeitsbelastung: Durch die Verdichtung der Arbeitszeit auf vier Tage könnten die täglichen Arbeitsstunden nicht nur länger, sondern auch anstrengender werden, was zu Erschöpfung führen kann.
- Organisatorische Herausforderungen: Die Dienstplangestaltung wird komplexer, um sicherzustellen, dass alle Schichten abgedeckt sind, insbesondere bei Engpässen.
- Personalmangel: In einem Berufsfeld, das ohnehin schon unter Personalmangel leidet, könnte die Umsetzung einer 4-Tage-Woche schwierig sein und den Druck auf das bestehende Personal erhöhen.
- Kostensteigerung: Eventuell müssen zusätzliche Mitarbeiter eingestellt oder Überstunden bezahlt werden, was zu höheren Betriebskosten führen kann.
- Gesetzliche Schwierigkeiten: Täglicher Maximalarbeitszeit im Schichtbetrieb (siehe Abschnitt oben)
- Freizeitmangel: Aufgrund längerer Arbeitszeiten bleibt weniger Zeit für Haushalts- und Freizeitaktivitäten, vor allem wenn zusätzlich noch eine längere Arbeitsanfahrt hinzukommt.
- Aufgehobene Kontinuitätskette: Im Pflegeprozess kann durch den Wegfall eines wöchentlichen Arbeitstages die Kontinuität weiter geschwächt werden, was die Pflegequalität vermindert.
4-Tage-Woche in der Pflege – Projekte
In der Schweiz sind derartige Arbeitsmodellversuche momentan noch rar anzutreffen. Jedoch hat zum Beispiel das Alters- und Pflegeheim Glarus Süd Care ein Pilotprojekt gestartet: Dort arbeiten insgesamt acht Pflegefachpersonen nur vier Tage pro Woche für einen Testzeitraum von sechs Monaten. Die tägliche Arbeitszeit beläuft sich somit auf 11,5 Stunden inklusive Pausen. Bisher kam es dadurch zu leichten zeitlichen Verschiebungen bei den Pflegedienstleistungen. Dafür bleibe allerdings mehr Zeit für die Arbeit mit den Bewohnern und es seien weniger Schichtwechsel beziehungsweise Übergaben notwendig.
Im Nachbarland Deutschland sieht die Situation hingegen etwa anders aus. Hier haben bereits mehrere Häuser einen Testversuch für die 4-Tage-Woche unternommen. Dazu gehört beispielsweise das Klinikum Bielefeld, welches im Juli 2023 ein Pilotprojekt für Pflegende auf geriatrischen und unfallchirurgischen Stationen ins Rollen gebracht hat. Die Mitarbeiter berichteten, dass sie die zusätzlichen freien Tage schätzten, obwohl die längeren Arbeitstage zunächst gewöhnungsbedürftig waren. Insgesamt führte das Modell zu weniger Überstunden und einer verbesserten Arbeitszufriedenheit. Auch in Siegen und Moers gab es daneben beispielweise erste Versuche mit einer verkürzten Arbeitswoche für das Pflegepersonal. In beiden Fällen haben sich individuelle Vor- und Nachteile aufgetan, weshalb das Modell zunächst lediglich als optionale Wahlmöglichkeit bestehen bleibt.
4-Tage-Woche in anderen Branchen
In anderen Branchen ist die 4-Tage-Woche in der Schweiz schon etwas weiter fortgeschritten und erfreut sich zum Teil grosser Beliebtheit. Beispielsweise haben viele Unternehmen in der IT- und Kreativbranche die 4-Tage-Woche bereits eingeführt. Hier zeigt sich oft, dass das Modell gut funktioniert, weil die Arbeit flexibel und projektbasiert organisiert werden kann. Unternehmen berichten von gesteigerter Produktivität und höherer Mitarbeiterzufriedenheit.
Auch in der Gastronomie und Hotellerie gibt es Pilotprojekte zur 4-Tage-Woche. Diese Branchen profitieren von der Einführung, da sie stark unter Fachkräftemangel leiden. Die zusätzlichen freien Tage konnten die Attraktivität der Berufe steigern und helfen, neue Mitarbeitende zu gewinnen.
Des Weiteren hat die Non-Profit-Organisation “4 Day Week” zusammen mit dem Zürcher Beratungsunternehmen Hailperin und der Berner Fachhochschule (BFH) ein grosses Pilotprojekt gestartet. Die Studie untersucht die Auswirkungen der 4-Tage-Woche auf verschiedene Unternehmen in der Schweiz und wird wissenschaftlich begleitet. Ziel ist es, die Produktivität zu steigern und die Gesundheit sowie Motivation der Mitarbeitenden zu verbessern. Erste Ergebnisse sind vielversprechend und zeigen positive Effekte auf die Arbeitszufriedenheit und Produktivität der Teilnehmenden.
Zusammengefasst wird die 4-Tage-Woche bereits in verschiedenen Branchen der Schweiz getestet und zeigt dabei oft positive Effekte, trotz einiger Herausforderungen in der Umsetzung. Die laufenden Studien und Pilotprojekte werden weitere Erkenntnisse rund um das Modell liefern. Hieraus könnten sich dann auch Tipps und Tricks zur Umsetzung der 4-Tage-Woche im Schweizer Gesundheitswesen ableiten lassen.
Passende Jobs in der Pflege
Wer aktuell auf der Suche nach einem Job in der Pflege ist, wird bei Medi Karriere fündig. Hier gibt es zahlreiche Jobs für Pflegefachpersonen, freie Stellen als FaGe sowie viele weitere Pflege-Jobangebote.
- Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Arbeits- und Ruhezeiten, https://www.seco.admin.ch/... (letztes Abrufdatum: 03.07.2024)
- Berner Fachhochschule, 4-Tage-Woche: Institut New Work ist Forschungspartner des Schweizer Pilotprojekts, https://www.bfh.ch/... (letztes Abrufdatum: 27.06.2024)
- SpringerPflege, Pflege Management, Im Test: Vier-Tage-Woche für Pflegekräfte, https://www.springerpflege.de/... (letztes Abrufdatum: 27.06.2024)
- kaufmännischer Verband, Vier-Tage-Woche: ein Arbeitsmodell der Zukunft? (Teil 1), https://www.kfmv.ch/... (letztes Abrufdatum: 27.06.2024)
- asana, Die 4-Tage-Woche im Überblick: Vorteile und Beispiele!, https://asana.com/... (letztes Abrufdatum: 27.06.2024)