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Nur wenige Menschen seiner Zeit waren derart vielseitig begabt wie Auguste Forel. Der Schweizer Neurologe, Psychiater und Forscher hat die Naturwissenschaften in vielerlei Hinsicht massgeblich beeinflusst und geprägt. Sein Wirkungsgebiet umfasste dabei ein breites Spektrum, darunter Neuroanatomie, Histologie, Psychologie und auch der soziale Reformbereich. Sei es die Entdeckung neuer Hirnnerven und anatomischer Schnittmethoden oder neuartiger Behandlungsansätze im Bereich der Psychotherapie; bis heute sind die Auswirkungen seiner Entdeckungen in der modernen Medizin und Naturwissenschaft spürbar. Dieser Artikel beschäftigt sich daher mit Leben und Wirken von Auguste Forel.
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Forel – Biografie
Auguste Forel wurde am 1. September 1848 in Morges im Kanton Waadt geboren und verstarb am 27. Juli 1931 in Yvorne. Bei einem Blick auf seine Biografie kann man dabei beinahe von einer gewissen Zweiteilung in seinem Werdegang sprechen. Während er sich zu Beginn seiner Karriere fast ausschliesslich der Medizin und Psychologie widmete, legte er diese Arbeit später vollständig zur Seite. Stattdessen nutzte er die letzten etwa 30 Jahre seines Lebens intensiv für die Verbreitung seiner sozialen Ansichten. In der folgenden Tabelle sind hierbei die wichtigsten Stationen seines Lebens dargestellt:
Zeitraum | Ereignis |
1848 | Geburt in Morges (Kanton Waadt) |
1866 | Beginn Medizinstudium in Zürich |
1873 | Assistenz an der Münchner Kreis-Irrenanstalt (unter Bernhard von Gudden) |
1876 | Habilitation über die Hauben-Region des Mittelhirns |
1879 | Direktor an der Züricher Universitätsklinik für Psychiatrie Burghölzli |
1883 | Heirat mit Emma Steinheil |
1889 | Gründung der Trinkerheilstädte Ellikon an der Thur (heute: Forel-Klinik) |
1898 | Kündigung an der Universität Zürich |
1912 | Zwei Schlaganfälle |
1916 | Beitritt zu Sozialdemokratischen Partei |
1931 | Tod in Yvorne |
Forel – Wirkungsgebiete
Auguste Forel hat sein Lebenswerk verschiedensten Bereichen gewidmet und seine Zeit auf den meisten Gebieten massgeblich geprägt. Während er in seiner frühen Karriere vor allem Zeit in die medizinische und psychologische Forschung investiert hat, engagierte er sich später eher in sozialer Weise. Im Folgenden wird eine Übersicht über seine wichtigsten Wirkungsgebiete gegeben.
Hirnforschung
Auguste Forel hat bedeutende Beiträge zur Erforschung des Gehirns und seiner Funktionen geleistet. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang seine Entwicklung eines Schneidegeräts für anatomische Präparate im Jahr 1874. Mit diesem “Mikrotom” gelang es ihm als erster Forscher, einen kompletten Schnitt des Gehirns herzustellen.
Darüber hinaus hat er weitere wichtige neuroanatomische Fortschritte gemacht, wie zum Beispiel die Entdeckung des Hörnervs (“Nervus acusticus”) sowie des lateralen Corticospinaltraktes, ein wichtiger Teil des motorischen Systems im Gehirn.
Neben diesen bahnbrechenden Entdeckungen hat er zudem neue Färbemethoden von Nervenzellen entwickelt und war ein Pionier der Elektrophysiologie zur Untersuchung der Gehirnfunktion. Früh identifizierte er ausserdem die Bedeutung von chemischen Signalen im Gehirn und untersuchte ihre Rolle bei der Übertragung von Nervenimpulsen.
Psychiatrie
Forel war ein Pionier in der Anwendung von Hypnose zur Behandlung von psychischen Erkrankungen. Er führte dabei bahnbrechende Experimente durch, um die Wirksamkeit von Hypnose bei der Behandlung von Schizophrenie und anderen psychischen Störungen zu untersuchen. Seine Arbeit auf diesem Gebiet legte ausserdem den Grundstein für die Entwicklung der psychoanalytischen Therapie. Darüber hinaus erreichte er auch ansehnliche Ergebnisse bezüglich der psychiatrischen Versorgung, indem er sich für eine humanere Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen einsetzte.
Prägung des Medizinstudiums
Auguste Forel setzte seinerzeit erfolgreich durch, dass die Psychiatrie als Fach im Schweizer Medizinstudium etabliert wurde.
Abstinenz
Forel erkannte frühzeitig, dass Alkoholismus eine chronische Krankheit ist, die einer medizinischen Behandlung bedarf. Er entwickelte daraufhin einen umfassenden Ansatz zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit, der sowohl körperliche als auch psychische Aspekte berücksichtigte. Neben der Gründung einer Selbsthilfe-Organisation namens “L’Abstinence”, die sich der Unterstützung von Menschen mit Alkoholproblemen widmete, gründete er im Jahr 1889 die Trinkerheilstädte Ellikon an der Thur, welche bis heute unter dem Namen “Forel-Klinik” besteht.
Weitere Wirkungsgebiete
Abseits der medizinischen Welt trug Auguste Forel auch massgeblich zum wissenschaftlichen Fortschritt im Bereich der Tierwelt bei. Im Speziellen widmete er der Erforschung von Ameisen sehr viel Zeit und hat durch seine Veröffentlichungen auf diesem Gebiet bis heute wegweisende Erkenntnisse zu Tage gefördert.
Vor allem in seiner zweiten Lebenshälfte engagierte sich Forel ausserdem in politischer und eugenischer Hinsicht. Er war ein vehementer Gegner des Krieges und setzte sich für eine internationale Friedensbewegung ein. Darüber hinaus war er ein Verfechter der Frauenrechte und forderte die Gleichstellung von Frauen in Bildung und Beruf.
Nicht verschweigen sollte man in diesem Zusammenhang seine rassistisch geprägten Grundsätze, denn er plädierte für eugenisch bedingte Kastrationen und wirkte ausschlaggebend an der Einführung eines Sterilisationsgesetztes mit, welches in der Schweiz von 1928 bis 1985 gültig war.
Eugenik - Was ist das?
Unter Eugenik wird ein ideologisches Konzept der "Erbgesundheitslehre" verstanden, wonach die Erbanlagen in vermeintlich gute bzw. vermeintliche schlechte Anlagen unterteilt werden. Als Grundlage ziehen die Eugeniker/innen die Evolutionslehre Charles Darwins herangezogen.
Forel – Bedeutung für die moderne Medizin
Forels Forschungen führten zu nachhaltigen Fortschritten in den Bereichen der Anatomie, Neurologie und Psychiatrie. In neurologischer Hinsicht trug er wesentlich dazu bei, das Verständnis der Gehirnanatomie und -physiologie zu verbessern. Seine Entdeckungen und Arbeiten zu verschiedenen Bestandteilen des Gehirns, darunter etwa Thalamus, limbisches System und wichtige Nervenbahnen, waren wegweisend und beeinflussten die moderne Hirnforschung.
In der Psychiatrie hingegen entwickelte Forel neue Konzepte zur Behandlung von psychischen Erkrankungen, insbesondere von Schizophrenie. Zudem war er Vorreiter in der Anwendung von Hypnose und des psychotherapeutischen Ansatzes; beide Verfahren finden auch in der Gegenwart noch Anwendung in der Therapie von psychisch Erkrankten.
Schliesslich hatten auch seine Arbeiten zur Alkoholabstinenz und -therapie einen grossen Einfluss auf die moderne Medizin. Sein umfassender Ansatz zur Abstinenztherapie, der sowohl körperliche als auch psychische Aspekte berücksichtigt, ist bis heute ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Alkoholabhängigkeit.
Insgesamt trug Forel durch seine Arbeit und sein Engagement somit auf verschiedenen Gebieten wesentlich zur Entwicklung moderner Therapieansätze sowie zum Verständnis des menschlichen Gehirns und Verhaltens bei.
Forel-Klinik
Die Forel-Klinik in der Schweiz ist heute eine der führenden psychiatrischen Kliniken in Europa und hat einen hervorragenden Ruf für ihre Arbeit in der Behandlung von psychischen Erkrankungen und Menschen mit Suchtproblemen. Fast ein ganzes Jahrhundert nach der Gründung im Jahr 1889 wurde die Anstalt 1984 schliesslich nach ihrem Gründer Forel benannt. Die Klinik verfolgt dabei einen integrativen Ansatz zur Behandlung von psychisch Kranken, Menschen, die abhängig von Alkohol sind und weiteren Suchterkrankten.
Bekannte Schüler
Bei den Schülern Forels sollte man vor allem Eugen Bleuler hervorheben. Er verbrachte seine Zeit als Assistenzarzt bei Forel in Burghözli und trat in diesem Krankenhaus 1898 dessen Nachfolge als Direktor an. Auf Bleuler ist ausserdem der Begriff der „Schizophrenie“ zurückzuführen, eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene zum Beispiel Stimmen hören oder Störungen der Persönlichkeit aufweisen.
Forel – Würdigung und Auszeichnungen
Neben dem Erhalt der Ehrendoktorwürde der Universität Zürich wurde Forel zudem im Jahr 1872 der Schläfli-Preis für seine bahnbrechenden Erkenntnisse auf dem Gebiet der Ameisenforschung verliehen. Gewürdigt wurde er auch damit, dass er von 1978 bis 1998 das Motiv der 1´000er Schweizer Banknote zierte.
Seit dem Jahr 2000 hat die Schweizer Abstinenzorganisation IOGT ausserdem die “Auguste-Forel-Medaille” eingeführt. Diese Auszeichnung wird seitdem für besonderen Einsatz zur Erforschung und Behandlung von Suchterkrankungen verliehen.
Forel – Publikationen
In seiner gesamten Laufbahn veröffentlichte Auguste Forel über 270 Publikationen. Rückblickend hervorzugeben sind von seinen Werken dabei seine Publikationen über die Hypnose sowie die Schrift „Die sexuelle Frage“, welche seine Meinung gegen die Unterdrückung der Frauen untermauerte. Im Gegensatz dazu werden seine Werke über eugenische Themen heute als sehr kritisch betrachtet.
Forel – Kritik
Vor allem Forels Ansichten hinsichtlich der Eugenik-Bewegung in der Schweiz, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern populär war, sorgten schon damals für viel Kritik an seiner Person. Forel befürwortete etwa die Sterilisation von “minderwertigen” Menschen und trug so zur Diskriminierung und Verfolgung von bestimmten Bevölkerungsgruppen bei.
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- Forel Klinik, Unser Fundament, https://www.forel-klinik.ch/... (Abrufdatum: 05.05.2023)
- Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Zeitreise, https://www.pukzh.ch/... (Abrufdatum: 06.05.2023)
- Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Auguste Forel, https://www.pukzh.ch/... (Abrufdatum: 06.05.2023)
- Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Eugen Bleuler, https://www.pukzh.ch/... (Abrufdatum: 06.05.2023)
- Deutsche Biographie, Forel, August, https://www.deutsche-biographie.de/... (Abrufdatum: 05.05.2023)
- Wien Geschichte Wiki, Auguste Forel, https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/... (Abrufdatum: 05.05.2023)
- Planet Wissen, Die Geschichte der Eugenik-Verbrechen, https://www.planet-wissen.de/... (Abrufdatum: 04.07.2023)