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Das Bobath-Konzept ist ein Behandlungskonzept, die in den 1940er Jahren von der deutschen Physiotherapeutin Berta Bobath und ihrem Ehemann Karel Bobath, einem Neurologen, entwickelt wurde. Es wird vor allem bei Patienten/-innen angewendet, die unter neurologischen Problemen nach einem Schlaganfall leiden, findet jedoch auch Anwendung in der Behandlung von neurologischen Krankheitsbildern. In der Schweiz gibt es dabei mehrere Verbände, deren Behandlungsprinzipien auf dem Bobath-Konzept basieren. Wie das Bobath-Konzept genau aufgebaut ist, welche Ziele es verfolgt und wie es angewendet wird, klärt dieser Artikel.
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Bobath-Konzept – Definition
Beim Bobath-Konzept als Therapieansatz sollen notwendige, alltägliche Bewegungsabläufe erlernt und geübt werden. Im Zentrum des Konzeptes steht dabei die Gesamtheit Mensch. Dieser wird als Ganzes betrachtet, weshalb die Grundprinzipien des Konzeptes an die individuelle Situation des/-r Patienten/-in angepasst wird. Der alternative Name deurodevelopmental treatment (NDT) weist bereits daraufhin, dass neurophysiologische Beobachtungen die Grundlage des Bobath-Konzeptes bilden. Es beruht auf der Annahme, dass eine lebenslange Plastizität des Gehirns besteht, also dass auch nach einem Unfall oder Schlaganfall durch Training neue Synapsen aufgebaut und so die Folgen des Ereignisses gemindert werden können.
Anders als beispielsweise bei der Vojta-Therapie ist bei diesem Konzept eine aktive Mitarbeit des/-r Patienten/-in notwendig. Von therapeutischer Seite werden Unterstützungshilfen gegeben, um die physiologischen Bewegungsabläufe möglichst selbstständig durchzuführen. Besonders ist beim Bobath-Konzept auch die Einbeziehung mehrerer Fachbereiche. Die Bedeutung der Pflege für die Rehabilitation wurde schon früh erkannt und Techniken entwickelt, die zu pflegende Person schon früh und möglichst allumfassend zu fördern.
Bobath-Konzept – Ziele
Das Hauptziel des Bobath-Konzepts ist die möglichst grosse Wiedererlangung der eigenen Selbstständigkeit. Diese wird erreicht durch Stimulation und Stärkung bzw. Regulation der Muskelspannung auf der betroffenen Körperhälfte. So sollen langfristige negative Folgen beispielweise auf die Gelenke vermieden werden. Von einer Halbseitenlähmung betroffene Patienten/-innen neigen dazu, die Schwäche der betroffenen Seite durch die Verwendung der gesunden Seite auszugleichen. Dies kann jedoch zu Haltungsstörungen, verstärkten Spasmen in der betroffenen Seite und somit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Ein früher Beginn der Bobath-Therapie unter Einbeziehung beider Körperhälften kann diese Entwicklung positiv beeinflussen.
Ziel ist es dabei, die Patienten/-innen zur Benutzung der betroffenen Seite anzuregen und gleichzeitig Spasmen zu lösen. Das Konzept sollte jedoch nicht pedantisch verfolgt und die Verwendung der nicht betroffenen Seite gar „verboten“ werden. Vielmehr soll beim Bobath-Konzept auf die jeweilige Situation und den Menschen eingegangen werden.
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Bobath-Konzept – Anwendung
Die Schlaganfalltherapie ist einer der grossen Bereiche in denen das Bobath-Konzept angewendet wird. Hier sind sowohl Spasmen als auch schlaffe Lähmungen weit verbreitet, sodass das Konzept besonders gute Erfolge zeigt. Ein anderer grosser Anwendungsbereich ist die Arbeit mit Kindern mit Zerebralparese, deren Bewegung oder Koordination aufgrund der Erkrankung beeinträchtigt ist. Die Besonderheit ist hier, dass Kinder die Bewegungen komplett neu lernen müssen und meist nicht auf frühere Erfahrungen zurückgreifen können. Die Plastizität kindlicher Gehirne ist ungemein gross, sodass die Erfolge der Bobath-Therapie hier besonders gut zu sehen sind.
Lagerung nach Bobath
Bei der Lagerung nach Bobath geht es darum, den Heilungsprozess weiter zu fördern und den erhöhten Muskeltonus herabzusetzen. Dabei gibt es verschiedene Grundideen. Einerseits wird dazu geraten, die betroffene Seite möglichst nicht auf weiche, nachgiebige Materialien zu lagern, sondern die Extremitäten auf eine harte Unterlage zu legen. Hierdurch erfährt das Gehirn vermehrt Signale, die Eigenwahrnehmung für das Körperteil steigt und der Muskeltonus wird herabgesetzt. Weitere Ideen bei der Lagerung nach Bobath sind die Lagerung auf die betroffene bzw. nicht betroffene Seite, die Rückenlage und die aufrechte Lage, etwa beim Sitzen in einem Stuhl oder an der Bettkante.
Die Lagerung auf die betroffene Seite kann durch den Feedback-Mechanismus helfen, einen besseren Muskeltonus zu erreichen, ohne gleichzeitig die Selbstständigkeit einzuschränken. Wichtige Dinge wie die Bettklingel sollten jedoch unbedingt mit der nicht betroffenen Seite erreichbar sein. Beim Sitzen im Stuhl sollte darauf geachtet werden, dass sich der/die Patient/in sicher fühlt. Fusskontakt zum Boden, eine gerade Rückenlehne und Seitenteile, die das Rutschen zur Seite verhindern, helfen bei der Entspannung und ermöglichen die Konzentration auf das Essen, Spielen oder andere Tätigkeiten.
Mobilisation und Handling nach Bobath
Bei der Mobilisation und dem Handling nach Bobath geht es darum, den Patienten/-innen die physiologischen Bewegungsabläufe bewusst zu machen und durch wiederholtes Training darin zu unterstützen, diese selbstständig auszuführen. Die Aufgabe der begleitenden Person, wie zum Beispiel eines Physiotherapeuten, ist es hierbei, Stabilität und Sicherheit zu vermitteln und Rückmeldung zu den Fortschritten zu geben. Durch die Bewusstmachung der notwendigen Bewegungsabläufe und der einzelnen Schritte wird es für die Patienten/-innen leichter, diese durchzuführen.
Nach einem Schlaganfall fehlen beispielweise oft das Gedächtnis und die Kraft, aus einem Stuhl aufzustehen. Wenn nun die Reihenfolge „beide Füsse fest auf den Boden stellen“ – „etwas nach vorne rutschen“ – „mit den Händen die Lehne umgreifen und mit Hilfe der Arme aufrichten“ verinnerlicht wird, kann gezielter an der notwendigen Muskelspannung und Kraft gearbeitet werden.
Für den Transfer sind zwei Methoden etabliert: der Transfer über den Stand und der „tiefe Transfer“, bei dem keine vollständige Aufrichtung stattfindet. Hierzu beugt sich der/die Patient/in leicht nach vorne. Die Pflegeperson stabilisiert das Knie, das sich näher zur neuen Sitzgelegenheit befindet. Sobald sich die Hüfte in der Luft befindet, kann durch Hilfe der Pflegeperson Stabilität gegeben und die Richtung dirigiert werden, bis der/die Patient/in zu Sitzen kommt. Beim Transfer über den Stand wird etwas mehr Rumpfstabilität benötigt. Im Prinzip erfolgt hier ein Aufrichten und dann über kleine Schritte die Bewegung zur neuen Sitzgelegenheit.
Selbsthilfetraining nach Bobath
Das Selbsthilfetraining nach Bobath kann gut zu Hause angewendet werden. Hierbei werden durch aktivierende Pflege und die immer wiederkehrende Wiederholung alltäglicher Bewegungsmuster die während der Therapiestunden geübten Abläufe gefestigt. Dieses Prinzip wird auch ATL-Training (Wiedererlernen von Alltagssituationen) genannt. Wichtig ist hierbei, dass die Bewegungen nach dem gleichen Schema wie in der Therapie ablaufen, um so eine Routine zu entwickeln.
Pflege nach Bobath durch Angehörige
Für pflegende Angehörige empfiehlt sich der Besuch eines Bobath-Schulungskurses, um so durch mehr theoretische Grundlagen noch besser auf die betroffenen Angehörigen eingehen zu können. Dies fördert zusätzlich auch die durchgängige Verwendung des Konzeptes im Alltag der zu pflegenden Person.
Waschung nach Bobath
Das Waschen nach Bobath ist eine gute Methode, um auch schwer beeinträchtigte Patienten/-innen aktivierend zu pflegen. Durch den Kontakt und die Berührung verschiedener Körperregionen kann die Eigenwahrnehmung des Körpers gestärkt werden. Dabei sollte von der gesunden Seite ausgehend, unter Erklärung, gewaschen werden. Auf der betroffenen Seite wird etwas mehr Druck ausgeübt, um so die Aufmerksamkeit verstärkt auf diesen Bereich zu lenken.
Wenn möglich bietet es sich auch an, die Patienten/-innen selbst einige Schritte übernehmen zu lassen oder ihre Hand zu führen. Hierbei helfen mündliche Erklärungen, um die Patienten/-innen zu leiten.
Bobath-Konzept – Vorteile
Der grosse Erfolg des Bobath-Konzeptes beruht unter anderem auf der Tatsache, dass es sich nicht um ein starres Regelwerk handelt, sondern vielmehr um ein Behandlungskonzept, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. So wie jeder Patient und jede Patientin mit ihrem Krankheitsbild einzigartig sind, so wird auch der Analyse der Ausgangssituation eine besondere Wichtigkeit zugesprochen. Hierauf basierend erfolgt anschliessend die Therapieplanung, in die ein multiprofessionelles Team eingeschlossen wird.
Vor allem die Rolle der Pflege wird bei anderen Therapiekonzepten oft unterschätzt. Dabei verbringen entsprechende Fachpersonen deutlich mehr Zeit mit dem/-n Patienten/-innen als beispielsweise Physiotherapeuten/-innen. Je besser geschult diese sind und je besser die Kommunikation zwischen den verschiedenen Fachgruppen funktioniert, desto eher können auch die gleichen Abläufe eingehalten werden, was die bestmöglichen Erfolge verspricht.
Möglichkeiten in der Pflege
Das Bobath-Konzept als Therapieansatz bezieht die pflegenden Personen aktiv in die Behandlung mit ein. Dabei kann es sich sowohl um professionelle Pflegefachpersonen handeln als auch Angehörige, die die Patienten/-innen versorgen. Durch die oft deutlich engere Bindung und die viele Zeit, die sie mit den Patienten/-innen verbringen wird oft ein ganz neuer Blickwinkel auf die zu pflegende Person und ihr Krankheitsbild eröffnet.
Durch die Möglichkeit, die Therapiekonzepte mehrmals täglich anzuwenden erhalten die Patienten/-innen ausserdem ein deutlich intensiveres Training und erzielen sehr viel schneller Erfolge. Wenn sich Probleme oder Schwierigkeiten im Laufe der Zeit zeigen, können dies Pflegende oft deutlich schneller erkennen als Physiotherapeuten/-innen, da diese nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Tag der Patienten/-innen zu sehen bekommen.
Stellenangebote für Physiotherapeuten/-innen
Wer aktuell auf der Suche nach einer neuen Stelle in der Physiotherapie ist, wird bei Medi-Karriere fündig. Hier gibt es Jobs als Physiotherapeut/in, Stellen für Pflegefachfrauen / Pflegefachmänner oder Stellenangebote in der Krankenpflege.
- Thieme, Grundlagen des Bobath-Konzepts, https://www.thieme.de/... (Abrufdatum: 09.11.2022)
- Thieme, Spezielle Pflegesituationen, Grundlage des Bobath-Konzepts, https://www.thieme.de/... (Abrufdatum: 09.11.2022)
- Ebelt-Paprotny G., Taxhet G. und Wappelhorst U., Leitfaden Physiotherapie, Bobath-Konzept für Erwachsene, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 7. Auflage (Abrufdatum: 09.11.2022)
- IBITA Swiss, Definition Bobath Konzept, https://www.ibitaswiss.ch/... (Abrufdatum: 09.11.2022)
- Friedhoff M. und Schieberle D., Praxis des Bobath-Konzepts, Integration des Bobath-Konzepts ins tägliche Leben, Thieme, 3. Auflage (Abrufdatum: 09.11.2022)
- NDTSWISS, Verein Bobath-TherapeutInnen Schweiz, https://ndtswiss.ch/... (Abrufdatum: 09.11.2022)
- SAKENT, Konzept Bobath, https://www.sakent-asend.ch/... (Abrufdatum: 09.11.2022)
- Medtronic, Zerebralparese, https://www.medtronic.com/... (Abrufdatum: 22.11.2022)