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Ein Disease-Management-Programm (DMP) kann dabei helfen, einer der grössten gesundheitlichen Herausforderungen weltweit entgegenzutreten: Chronischen Krankheiten. Millionen von Menschen sind mit langfristigen Gesundheitszuständen wie Diabetes, Herzinsuffizienz, Asthma und anderen chronischen Erkrankungen konfrontiert. Die Bewältigung solcher gesundheitlicher Hürden erfordert nicht nur eine effektive medizinische Versorgung, sondern auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Patienten/-innen und Gesundheitsdienstleistern/-innen. In diesem Zusammenhang haben sich DMPs als vielversprechender Ansatz erwiesen, um die Bedürfnisse von Menschen mit chronischen Krankheiten zu adressieren.
Dieser Artikel gibt einen Überblick darüber, was ein Disease-Management-Programm ist, in welchen Situationen es zum Einsatz kommt und welche Vor-, aber auch Nachteile es mit sich bringt.
Inhaltsverzeichnis
Disease-Management-Programm – Was ist das?
Ein Disease-Management-Programm ist ein strukturiertes und koordiniertes Versorgungsprogramm, das in der Gesundheitsversorgung eingesetzt wird, um die Behandlung und Betreuung von Patienten/-innen mit chronischen Krankheiten zu verbessern. Es konzentriert sich hauptsächlich auf Erkrankungen, die langfristige medizinische Betreuung erfordern. Dementsprechend fallen hierunter hauptsächlich chronische Krankheiten, bei denen oftmals keine Heilung zu erwarten ist.
Auch wenn jedes Disease-Management-Programm unterschiedlich ist, besitzen alle die gleiche Grundannahme. Demnach erscheint ein koordinierter Versorgungsansatz mit evidenzbasierten (wissenschaftlich gestützten) Behandlungsprogrammen sinnvoll, um die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern sowie gleichzeitig die Kostenlast positiv zu beeinflussen.
Die Hauptziele von DMPs kann man somit wie folgt definieren:
- Patienten/-innen vor Folgeschäden bewahren
- Umgang mit Krankheit im Alltag schulen
- Verbesserung von Gesundheit und Lebensqualität
- Selbstmanagement fördern
- Koordinierte Zusammenarbeit bei der Versorgung erreichen (etwa zwischen Haus- und Fachärzten/-innen, Therapeuten/-innen, Kliniken, Reha-Einrichtungen, Apotheken)
- Evidenzbasierte Guidelines etablieren
- Mittel- bis langfristige Kostensenkung
- Verbesserung der Behandlungsergebnisse
- Reduzierung der Krankheitslast (weniger Verschlechterung und Krankenhausaufenthalte)
Natürlich gehen einige dieser Zielsetzungen Hand in Hand und beeinflussen sich in gewisser Weise gegenseitig positiv.
Die Programme umfassen daneben in der Regel verschiedene Komponenten wie regelmässige Arztbesuche, Patientenschulungen, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsdienstleistern/-innen und die kontinuierliche Überwachung der Patienten/-innen.
Disease-Management-Programm – Relevante Krankheitsbilder
Disease-Management-Programme wurden speziell für den Einsatz bei chronischen Krankheiten entwickelt. In der Medizin bezeichnet der Begriff “chronisch” die Situation, dass keine Aussicht auf eine vollständige Ausheilung der vorliegenden Erkrankung besteht. Aus diesem Grund ist in der Regel eine lebenslange Behandlung der Betroffenen erforderlich. Typische chronische Krankheiten, bei denen DMPs zum Einsatz kommen kann, sind etwa:
- Diabetes mellitus
- Asthma
- Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD)
- Herzinsuffizienz
- Koronare Herzkrankheit
- Rheuma
- Bluthochdruck
Der langfristige Therapieansatz legt dabei nicht den Fokus auf eine Ausheilung der Erkrankung, sondern konzentriert sich vielmehr darauf, Verschlimmerungen (“Exazerbationen”) zu vermeiden. Ausserdem sollen langfristig und kontinuierlich relevante Therapieparameter überprüft sowie der Gesundheitszustand der DMP-Teilnehmer/innen gemonitort werden. Ein weiterer wichtiger Punkt, um die Lebensqualität zu optimieren, besteht schliesslich noch darin, die Einschränkungen im Alltag der Patienten/-innen zu reduzieren.
Studien zum DMP bei Krankheitsbildern
Zum Einsatz von Disease-Management-Programmen gibt es zahlreiche Studien, denn natürlich ist es wichtig zu überprüfen, ob sich der Aufwand für die Ausarbeitung und Durchführung eines DMP auch wirklich lohnt. Die meisten Untersuchungen belegen die Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit dieser Programme. Im Folgenden werden zwei beispielhafte Studien dargestellt.
Eine erste Studie von Christ et. al. untersuchte die Wirksamkeit eines Disease-Management-Programm für Patienten/-innen mit Diabetes mellitus Typ 2. Die Kriterien zur Durchführung des DMP wurden von der Schweizer Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie festgelegt. Bei den mehreren hundert Teilnehmern/-innen konnte man über den Beobachtungszeitraum sehen, dass diese im Schnitt häufiger zum Diabetes-Check-up bei ihrem/-r Arzt / Ärztin gingen. Ausserdem zeigten sich signifikante Verbesserungen hinsichtlich zahlreicher Gesundheitsparameter, darunter etwa BMI, Blutdruck, glykiertes Hämoglobin sowie LDL-Cholesterin. Trotz diesen positiven Entwicklungen konnte jedoch über den Zeitraum der Studie lediglich ein Drittel der Gruppen ihre Zielwerte beim Diabetes-Score erreichen.
In einer anderen Studie aus dem Jahr 2005 (Roccaforte et. al.) wurde eine Metaanalyse zu 33 Studien zum Einsatz von Disease-Management-Programmen bei Herzinsuffizienz durchgeführt. Über alle Untersuchungen hinweg konnte festgestellt werden, dass sowohl die Sterblichkeit der Patienten/-innen im DMP, als auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen durch systematische Interventionsprogramme reduziert wurde. Hierbei waren die Ergebnisse jedoch recht unabhängig von der genauen Ausgestaltung des jeweiligen DMP. Demnach lässt sich schlussfolgern, dass verschieden Ansätze ähnlich effektive Effekte erzielen können.
Disease-Management-Programm – Aufbau
Vorwegschicken sollte man, dass ein Disease-Management-Programm kein Ersatz für eine Therapie ist. Vielmehr handelt sich dabei um eine unterstützende, koordinierende Massnahme. Im Allgemeinen verläuft ein DMP etwa in folgenden Schritten:
- Potenziell geeignete Patienten/-innen werden identifiziert, zum Beispiel durch Diagnosecodes oder andere Kriterien, und zur Teilnahme am DMP eingeladen. Wenn sie zustimmen, werden sie eingeschrieben und in das Programm aufgenommen.
- Der/Die Arzt / Ärztin erstellt einen individuellen Therapieplan inklusive Medikamenteneinnahme, Therapiemassnahmen, Schulungen und Kontrollterminen. Beispielsweise sind bei Menschen mit Diabetes mellitus regelmässige Untersuchungen bei einem/-r Augenarzt/-ärztin vorgesehen, um eventuelle Sehschäden vorzubeugen beziehungsweise frühzeitig zu erfassen.
- Anschliessende Termine werden in der Regel alle drei oder sechs Monate vereinbart. Hierbei besprechen Arzt / Ärztin und Patient/in generell die Behandlung und setzen Ziele bezüglich des Gesundheitszustandes. Hierbei darf der/die Patient/in natürlich auch eigene Präferenzen, Wünsche und Bedürfnisse mit einfliessen lassen.
- Der gesamte Prozess des DMP wird ausserdem präzise elektronisch dokumentiert.
- Qualitätskontrollen der Programme erfolgen in regelmässigen Abständen, beispielsweise durch die Krankenkassen. Diese werten die Daten der Disease-Management-Programme aus und versenden auf Basis dessen Feedback-Berichte über erreichte Behandlungserfolge an teilnehmende Gesundheitsdienstleister/innen. Hierbei werden die individuellen Leistungen sogar mit anderen verglichen, damit beispielsweise Ärzte/-innen die Qualität und Effektivität ihrer Massnahmen einordnen können.
- Schliesslich nehmen Ärzte/-innen auch regelmässig an Fortbildungen zu DMPs teil, damit sie ihr Wissen stets auf dem aktuellen Stand der Leitlinien halten können.
Der Ablauf eines DMPs kann sich dabei über einen längeren Zeitraum erstrecken und wiederholt sich in der Regel in bestimmten Intervallen, um die kontinuierliche Betreuung sicherzustellen.
Förderung von DMP in der Schweiz
In der Schweiz gibt es die Interessensgemeinschaft Disease Management (IGDM), wobei es sich um eine Initiative von grossen Krankenversicherern handelt. Das Ziel der IGDM besteht darin, gemeinsam die Entwicklung, Etablierung und den Betrieb von Disease-Management-Programmen zu fördern.
Disease-Management-Programm – Massnahmen
Im Rahmen von Disease-Management-Programmen gibt es ein breites Areal an verfügbaren Methoden. Je nach individuellen Bedürfnissen und Situation kann daher auf diverse Massnahmen zurückgegriffen werden. Um den/die Patienten/-in über die eigene Krankheit zu informieren und somit das Selbstmanagement zu fördern, kommen etwa Coachinggespräche, Gruppenschulungen oder Infobroschüren zum Einsatz. Eine zentrale Rolle spielen daneben vor allem auch Arztbesuchen, denn bei diesen lassen sich spezifische Untersuchungen durchführen, die Aufschluss über den Gesundheitsstatus liefern. Im Rahmen von Assessments kann beispielsweise der Gesundheitszustand erfasst werden, was wiederum über regelmässige Arztbesuche hinweg eine Verlaufsdokumentation ermöglicht.
Damit diese Untersuchungen auch regelmässig stattfinden, ist vorgesehen, dass die Arztpraxis den/die Patienten/-in an fällige Termine erinnert. Dies kann beispielsweise in Form von Telefonanrufen, SMS oder E-Mails geschehen. In manchen Fällen sind die Massnahmen des Programms auch über Telefongespräche durchführbar oder können durch die Unterstützung von Telemedizin ablaufen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind die Besuche bei Fachexperten/-innen. Diese kontrollieren zum Beispiel die Organfunktionen in regelmässigen Abständen, um in dieser Hinsicht wichtige Verlaufsparameter zu erhalten.
Disease-Management-Programm – Vor- und Nachteile
Ein Disease-Management-Programm bietet eine Vielzahl von Vorteilen für Patienten/-innen, Gesundheitsdienstleister/innen und das Gesundheitssystem insgesamt. Dem gegenüber stehen jedoch auch einige negative Punkte, die vor allem dem Aufwand und den individuellen Bedürfnissen eines/-r jeden Programm-Teilnehmers/-in geschuldet sind. Einen Überblick zu den wichtigsten Vor- und Nachteilen liefert diese Tabelle:
Vorteile | Nachteile |
Verbesserte Gesundheitsergebnisse durch engere Überwachung, Behandlungsleitlinien und Patientenschulungen | Hoher administrativer Aufwand für Implementierung |
Reduzierte Notfalleinweisungen und Krankenhausaufenthalte wegen frühzeitiger Intervention und besserer Kontrolle der Krankheit | Standardisierte DMP können nicht immer auf jede/n Patienten/-in passen oder alle spezifischen Herausforderungen berücksichtigen |
Besseres Selbstmanagement und Krankheitsverständnis der Patienten/-innen | Mangelnde Teilnahmebereitschaft der Patienten/-innen |
Koordinierte Versorgung und Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsdienstleistern/-innen | Teilweise Umsetzungsschwierigkeiten bei der erforderlichen engen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gesundheitsdienstleistern/-innen |
Langfristige Kosteneffizienz (Reduzierung von teuren Notfalleinweisungen und Krankenhausaufenthalten, optimierte Ressourcennutzung) | Anfängliche Implementierungskosten oft hoch |
Qualitätssicherung durch wissenschaftlich fundierte Behandlungsleitlinien und -protokolle | Eingeschränkte Flexibilität bezüglich individueller Bedürfnisse der Patienten/-innen |
Daten- und Forschungsgrundlage wegen genauer und kontinuierlicher Dokumentation |
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- OBSAN, Neue Versorgungsmodelle für chronisch Kranke, https://www.obsan.admin.ch/... (Abrufdatum: 31.07.2023)
- Universität Zürich – Institut für Hausarztmedizin, Disease-Management, https://www.hausarztmedizin.uzh.ch/... (Abrufdatum: 31.07.2023)
- Christ E et al., Evaluation of type 2 diabetes care management in nine primary care practices before and after implementation of the Criteria of Good Disease Management of Diabetes established by the Swiss Society of Endocrinology and Diabetology, Swiss medical weekly, Vol. 152:w30197, 26.07.2022, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abrufdatum: 31.07.2023)
- Roccaforte R. et al., Effectiveness of comprehensive disease management programmes in improving clinical outcomes in heart failure patients. A meta-analysis., European journal of heart failure, Vol. 7,7, 2005, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abrufdatum: 31.07.2023)