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Einige Arbeitnehmer-Stellen in der Schweiz unterliegen sogenannten Gesamtarbeitsverträgen (GAV). Diese bieten Arbeitnehmern/-innen nicht nur die Chance auf faire Arbeits- und Anstellungsbedingungen, sondern ermöglichen es ihnen, von den allgemeinen Vereinbarungen zu profitieren. Zeitgleich ergeben sich hierdurch auch für Arbeitgeber positive Effekte. Im Gesundheitswesen allerdings liegt die Quote der GAV relativ niedrig, wodurch nicht einmal die Hälfte der Angestellten von diesem System profitieren kann. In diesem Artikel werden die GAV allgemein sowie deren Rolle im Gesundheitswesen mit den wichtigsten Vor- und Nachteilen vorgestellt.
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GAV – Was sind Gesamtarbeitsverträge?
Gesamtarbeitsverträge sind Verträge, die zwischen Arbeitgebern/Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften bzw. Personalverbänden, also Zusammenschlüssen von Arbeitnehmern, abgeschlossen werden. Diese sind für eine bestimmte Laufzeit über, beispielsweise für eine ganze Branche oder ein ganzes Gewerbe, wie die Gastronomie bzw. das Gastgewerbe, gültig. Ein GAV legt dabei Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen sowie das Verhältnis der beiden beteiligten Partien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer/innen) zueinander fest.
Inhaltlich umfassen diese Verträge Bestimmungen über den Abschluss, Inhalt und die Beendigung von Einzelarbeitsverträgen. Man spricht hierbei auch von “normativen Bestimmungen”, da hier verpflichtende Vorgaben für Aspekte, wie beispielsweise den Lohn sowie Arbeits- und Ferienzeiten, getroffen werden. Daneben beinhalten Gesamtarbeitsverträge in der Schweiz auch Regelungen zu Rechten und Pflichten aller Vertragspartner und Bestimmungen zur Kontrolle und Durchsetzung des GAV.
Gesamtarbeitsverträge sind dabei verbindlich und gelten für alle Arbeitnehmenden, die Mitglied eines entsprechenden Verbandes sind und die für einen Arbeitgeber tätig sind, der am GAV beteiligt ist. Meistens werden die Vereinbarungen hierbei für einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Währenddessen herrscht eine beidseitige Friedenspflicht. Normalerweise beträgt die Laufzeit eines GAV etwa ein bis drei Jahre. Nach Ablauf der Gültigkeit werden dann Verhandlungen über Änderungen oder eine Verlängerung des Gesamtarbeitsvertrages getroffen. Allerdings bleibt der ursprüngliche Gesamtarbeitsvertrag in Kraft, solange keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft erzielt wurde.
Rechtliche Grundlage
Die Voraussetzungen für einen GAV seitens des Gesetzgebers werden in den Artikeln 356 bis 358 des Obligationenrechts festgelegt. In diesem Gesetz finden sich Regeln, wie zum Beispiel, dass der Gesamtarbeitsvertrag in schriftlicher Form vorliegen muss und in einer gegenseitigen Willensübereinstimmung getroffen wurde.
Formen an GAV
In der Schweiz gibt es verschiedene Formen von Gesamtarbeitsverträgen, die je nach Branche und Wirtschaftszweig unterschiedlich sein können. Im Folgenden gibt es eine Übersicht der wichtigsten Arten.
- Branchen-GAV: Dieser Vertrag wird zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften einer bestimmten Branche ausgehandelt und gilt für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer/innen innerhalb dieser Branche (zum Beispiel für die Langzeitpflege).
- Firmen-GAV: Ein Firmen-GAV wird auf betrieblicher Ebene ausgehandelt und gilt nur für die Arbeitnehmer/innen (und den Arbeitgeber) dieses einen Betriebes (zum Beispiel für eine Spitex-Organisation).
- Regionale GAV: Gilt für eine bestimmte Region bzw. bestimmte Kantone und wird zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften auf regionaler Ebene ausgehandelt (zum Beispiel für ein Kanton).
- Ein nationaler oder auch Landes-Gesamtarbeitsvertrag gilt für das gesamte Land, weshalb er für alle Schweizer/innen aus der entsprechenden Berufsgruppe verpflichtend ist. Dieser ist auch bekannt als „AVE“ (kurz für Allgemeinverbindlicherklärung, sprich ein allgemeinverbindlich erklärter Gesamtarbeitsvertrag). Unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen ist dies dabei sowohl durch den Bundesrat wie auch durch die kantonale Regierung für eine Region oder Branche möglich.
- Einzelarbeitsvertrag: Ein Einzelarbeitsvertrag wird zwischen einem Arbeitgeber und einem/-r Arbeitnehmer/in ausgehandelt und ist daher nur für diese Person gültig.
GAV im Gesundheitswesen
Vorweg ist zu erwähnen, dass es für die meisten Berufe im Gesundheitswesen keine einheitlichen Gesamtverträge gibt. Vor allem vom Gesetzgeber als allgemein verbindlich erklärte GAV gibt es für diese wichtige Branche bisher nicht. Vielmehr tun sich bestimmte Kantone oder Berufsgruppen hervor, welche den Schritt in Richtung gesamtarbeitsverträglicher Regelungen bereits erfolgreich gegangen sind . Hierbei gibt es aber noch deutlich Luft nach oben: Schätzungen des Bundesamtes für Statistik zufolge befinden sich nur etwa 30 bis 50 Prozent des Pflege- und Betreuungspersonals der Schweiz innerhalb eines gültigen Gesamtarbeitsvertrages.
Nichtsdestotrotz existieren einige Vorreiter im Gesundheitswesen. Die folgende Tabelle zeigt einige Gesamtarbeitsverträge, die es so aktuell schon im Schweizer Gesundheitswesen zu finden gibt.
Vertrag | Parteien (Gewerkschaft / Arbeitgeber) | Gültigkeitsbereich | Beispielhafte Inhalte |
GAV für die Zuger Kantonsspital AG | vpod, SBK, Syna / Zuger Kantonsspital AG | Zuger Kantonsspital (ausgenommen z. B. Ärzte/-innen, Auszubildende, Praktikanten/-innen) | Ober- und Untergrenze für Lohn, Zulagenordnung, Teilzeitlöhne, Elternurlaub |
GAV Berner Spitäler und Kliniken | vpod, SBK und Verband der schweizerischen Assistenz- und Oberärzte/-innen Sektion Bern / Netzwerk der Berner Spitäler und Kliniken | Grossteil des Personals aus 9 Kliniken / Spitälern im Kanton Bern | 13. Monatslohn, Minimum Jahresgehalt je Berufserfahrung, 15 zusätzliche freie Tage geschenkt nach 20 Anstellungsjahren, Zuschläge für Nachtarbeit |
GAV für Aargauer Kantonsspitäler | vpod, SBK, SHV, Syna, VMTP, VSAO / Aargauer Kantonsspitäler | Kantonsspital Aarau, Kantonsspital Baden und Psychiatrische Dienste Aargau | Kinderzulagen, Zuschläge für Nachtarbeit, Anzahl Ferientage nach Alter |
GAV Bernischer Langzeitpflege-Institutionen | SBK Bern, vpod / dedica | Alters- und Pflegeinstitutionen in Bern (ausgenommen z. B. Lernende, Praktikanten/-innen) | Ruhezeiten, Pikettdienst, Probezeit, Ferienübertragung, Feiertagsdienst, Lohnausfallentschädigungen |
vpod: Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste; SBK: Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner; SHV: Schweizerischer Hebammenverband; VMTP: Verband des medizinisch-technischen und medizinisch-therapeutischen Personals; VSAO: Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte
GAV – Vor- und Nachteile
Gesamtarbeitsverträge haben verschiedene Vorteile für Arbeitnehmer/innen, Arbeitgeber und die Gesellschaft insgesamt. Zum einen werden Arbeitnehmer/innen geschützt, da durch den Vertrag Mindeststandards der Arbeitsverhältnisse festgelegt werden. Dies schützt vor Ausbeutung und Überlastung. Zum anderen können GAV auch vieles für den Arbeitgeber vereinfachen. So ermöglichen diese es, die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter/innen schnell und einfach zu regeln, ohne jede einzelne Arbeitsvereinbarung aushandeln zu müssen. Das spart Zeit und Kosten für die jeweilige Institution. Darüber hinaus können Gesamtarbeitsverträge auch Lohndumping durch festgelegte Mindestlöhne verhindern. Dies wiederum gewährleistet faire Löhne für alle Arbeitnehmer/innen im Geltungsbereich.
Nichtsdestotrotz sind GAV allerdings auch mit einigen Nachteilen und Schwierigkeiten verbunden:
- Eingeschränkte Flexibilität: Gesetzte Mindeststandards für Arbeitsbedingungen und Löhne können die Flexibilität von Institutionen einschränken, da sie möglicherweise nicht in der Lage sind, individuelle Vereinbarungen mit Mitarbeitern/-innen zu treffen.
- Höhere Kosten: GAV können für Unternehmen höhere Kosten bedeuten, da sie höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen vorschreiben. Insbesondere kleinere Unternehmen können Schwierigkeiten haben, die Kosten für die Umsetzung des GAV zu tragen.
- Langwierige Verhandlungen: Die Verhandlungen über den Abschluss können langwierig sein und viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen. Insbesondere wenn es Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern/-innen gibt, kann es schwierig sein, eine Einigung zu erzielen.
- Einschränkungen für Arbeitnehmer/innen: Obwohl sie Arbeitnehmer/innen schützen und faire Arbeitsbedingungen gewährleisten sollen, können Gesamtarbeitsverträge auch Einschränkungen für Arbeitnehmende bedeuten. Beispielsweise könnte durch vergleichsweise schlecht ausgehandelte Arbeitsbedingungen ein Abwärtstrend bei diesen erzeugt werden.
Passende Stellenangebote im Gesundheitswesen
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- Schweizer Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Departement des Inneren EDI, Faktenblatt Löhne und Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals, https://www.bag.admin.ch/... (Abrufdatum: 05.03.2023)
- vpod Bern, Gesamtarbeitsvertrag Berner Spitäler und Kliniken, https://bern.vpod.ch/... (Abrufdatum: 21.03.2023)
- ksa, Gesamtarbeitsvertrag für die Aargauer Kantonspitäler, https://www.ksa.ch/... (Abrufdatum: 21.03.2023)
- dedica, Gesamtarbeitsvertrag Bernischer Langzeitpflege-Institutionen, https://www.dedica.ch/... (Abrufdatum: 21.03.2023)
- vpod, Anstellungsrecht und Löhne im Gesundheitsbereich im Kanton Bern, https://bern.vpod.ch/... (Abrufdatum: 05.03.2023)
- syna, Branchen mit GAV, https://syna.ch/... (Abrufdatum: 05.03.2023)
- syna, Gesundheitswesen, https://syna.ch/... (Abrufdatum: 05.03.2023)
- Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge, https://www.seco.admin.ch/... (Abrufdatum: 05.03.2023)
- Curaviva, Gesamtarbeitsverträge, https://www.curaviva.ch/... (Abrufdatum: 05.03.2023)