
Inhaltsverzeichnis
Hermann Rorschach war ein Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker und zudem Vizepräsident der 1919 gegründeten Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse. Berühmtheit erlange er vor allem durch seine Versuche mit Tintenklecksen. Aus diesen entwickelte er vor mehr als einem Jahrhundert durch jahrelange Arbeit und viele Experimente ein psychoanalytisches Testverfahren, den Rorschach-Test. Auch wenn dieser Test heutzutage zum Teil umstritten ist, findet er auch in der Gegenwart noch breite Anwendung.
Wer Hermann Rorschach dabei genau war und welche Bedeutung er für den Bereich der Psychoanalyse hat, klärt der folgende Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Hermann Rorschach – Biografie
“Das Interessanteste in der Natur ist die menschliche Seele. Das Grösste, was ein Mensch leisten kann, ist solche Seelen, kranke Seelen zu heilen.” So begründete der 22-jährige Herrmann Rorschach seinen Plan, Psychiater zu werden. Zu Beginn seines Lebens war diese Karriere jedoch keineswegs derart eindeutig: Durch sein zeichnerisches Talent und mit einem Vater, der überdies Zeichenlehrer war, fühlte sich der junge Rorschach oftmals zwischen zwei Welten, der Naturwissenschaft und der Kunst, hin und her gerissen. Seine zeichnerischen Fähigkeiten brachten ihm dabei bereits zu Schulzeiten den Spitznamen “Klex” ein. Doch sein Lebensweg verstrickte sich immer tiefer in die Psychologie, in die er jedoch seinen Hang zur Kunst stets mit einfliessen liess. Die darüber hinaus wichtigsten Stationen seiner Lebenszeit zeigt die anschliessende Tabelle.
Zeitraum | Ereignis |
08.11.1884 | Geburt in Zürich |
1904 – 1909 | Medizinstudium in Zürich, Berlin und Bern (unter anderem mit Vorlesungen von Constantin von Monakow, Eugen Bleuler und Carl Gustav Jung) |
1909 – 1913 | Assistent in der Thurgauer Irrenanstalt Münsterlingen |
1910 | Hochzeit mit Olga Stempelin |
1911 | Erste Versuche mit Tintenklecksen |
1912 | Promotion (bei Eugen Bleuler) |
1914 | 6 Monate als Assistent in psychiatrischem Privatsanatorium nahe Moskau |
1915 | Sekundararzt in kantonscher Heil- und Pflegeanstalt Herisau |
1917 | Wiederaufnahme der Tintenklecks-Versuche |
1921 | Veröffentlichung der Tintenklecks-Versuchsreihe |
02.04.1922 | Plötzlicher Tod in Herisau durch zu spät entdeckte Blinddarmentzündung |
Hermann Rorschach – Bedeutung für die Psychoanalyse
Rorschachs Veröffentlichungen zu seinen Versuchen mit Tintenklecksen beschäftigten die Welt der Psychoanalyse über Jahrzehnte hinweg auch nach seinem Tod. Allein in den Jahren zwischen 1941 und 1968 gab es zu diesem Thema knapp 5’000 Publikationen über die gesamte Welt verteilt. Hermann Rorschach selbst verfolgte stets die Ansicht, dass jeder Mensch die Welt unterschiedlich sieht. Daraus wiederum würden sich Rückschlüsse auf das Denken sowie die psychische Situation der jeweiligen Person ziehen lassen.
Tragischerweise lag die weitere Entwicklung seines erarbeiteten Testverfahrens mittels Tintenkleckse durch seinen frühen Tod im Alter von 37 Jahren nicht mehr in seinen Händen. Vielmehr legte der „Rorschach-Test“ (alternativ auch Rorschachtest) in den anschliessenden Jahren nach seinem Ableben einen dramatischen Aufstieg hin, wurde allerdings in vielerlei Hinsicht zweckentfremdet und nicht mehr in Rorschachs ursprünglich ersonnenen Einsatzgebieten verwendet.
An der weltweiten Verbreitung des Testverfahrens waren hierbei massgeblich die USA beteiligt. Zur Blütezeit der Freud´schen Psychoanalytik stellt der Rorschach-Test schlichtweg eine lohnende Alternative dar: Durch seine schnelle und billigere Durchführung wurde er von vielen den langen Gesprächstherapien (nach Freud) als überlegen angesehen. Das brachte dem Test bald den Beinamen “Röntgenstrahl des Unbewussten” ein.
So kam die Tintenklecks-Methode beispielsweise im amerikanischen Militär oder bei der Befragung von NS-Häftlingen im Rahmen der Nürnberger Gerichtsprozesse zur Anwendung. Dahingegen wurde er in seinem Ursprungsland der Schweiz eher zu Vorstellungsgesprächen und Berufstests herangezogen. Darüber hinaus hielten die charakteristischen Malereien auch Einzug in die Welt von Film und Werbung – sogar in Musikvideos tauchen die Tintenklecks-Werke bis heute auf.
Zu seiner Zeit erntete Hermann Rorschach jedoch viel Kritik, vor allem von den eher experimentell ausgerichteten Psychologen/-innen und Psychiatern/-innen aus Deutschland. Jedoch besteht ein derartiger Konflikt zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren innerhalb der Psychologie auch noch bis ins 21. Jahrhundert. Nichtsdestotrotz erfreut sich der Rorschach-Test bis heute grosser Beliebtheit, zum Beispiel in Argentinien und der Türkei. In Japan stellt er sogar den beliebtesten psychologischen Test dar.
Der Rorschach-Test
Hermann Rorschach startete seine Versuchsreihe zunächst als „Wahrnehmungsexperiment“: Er präsentierte seine selbst entworfenen Tintenklecksbilder stationär behandelten Patienten/-innen und Menschen mit Schizophrenie und stellte dazu jeweils die offene Frage „Was könnte das sein?“. Die Antworten zu jedem Bild notierte er sich akribisch und entdeckte nach und nach bestimmte Muster beziehungsweise Verhältnismässigkeiten bei gewissen Patientengruppen. Mit der Zeit verfeinerte er seine Tintenkleckse immer weiter und legte sich schliesslich auf zehn verschiedene Bilder (schwarze/ graue sowie farbige Kleckse) in einer vorgegebenen Reihenfolge fest.
Er entwickelte zudem ein System, womit die Antworten vorliegenden Codes und Punktzahlen zugeordnet werden konnten, um anschliessend Rückschlüsse auf bestehende Krankheitsbilder und Persönlichkeitsmerkmale zu ziehen. Die Ergebnisse seiner Versuche veröffentlichte er dann 1921 unter dem Titel “Psychodiagnostik”.
Die heutige wissenschaftliche Meinung zum Rorschach-Test ist, dass das Verfahren bei korrektem Einsatz durchaus brauchbare Resultate liefert. Eine gross angelegte Metastudie aus dem Jahr 2013 rechtfertigte ausserdem seine Anwendung bei bestimmten Fragestellungen (Anmerkung: Vor allem in Bereichen, für die Rorschach den Test auch ursprünglich entwickelt hatte und nicht für die Dinge, zu denen er später instrumentalisiert wurde, ergab sich eine wissenschaftliche Evidenz).
Hermann Rorschach – Veröffentlichungen
In Laufe seiner Karriere veröffentlichte Hermann Rorschach einige Werke, von denen vor allem diejenigen zu der Versuchsreihe mit Tintenklecksen hohe Wellen unter damaligen Psychologie-Experten/-innen schlugen. Da die Forschungsinteressen des Psychiaters jedoch breit gefächert waren, finden sich auch weitere Veröffentlichungen auf anderen Gebieten. Allein in den Jahren 1912 bis 1914 veröffentlichte er ein halbes Dutzend Schriften in anerkannten psychiatrischen Fachzeitschriften. Eine Auswahl seiner wichtigsten Publikationen sind im Folgenden chronologisch aufgelistet:
- Dissertation “Reflexhalluzinationen” (1912)
- Veröffentlichter Vortrag “Zur Auswirkung des Formdeutversuchs für die Psychoanalyse” (1913)
- “Pathologie und Operabilität der Tumoren der Zirbeldrüse” (1913)
- “Psychodiagnostik” (1921)
Passende Stellenangebote in der Therapie
Wer aktuell auf der Suche nach einer neuen Stelle im Therapie-Bereich ist, wird bei Medi-Karriere fündig. Hier gibt es Psychologen/-innen Jobs, Stellen als Psychotherapeut/in oder auch Stellenangebote in der Therapie.
- Payk T, Brüne M. „Rorschach-Formdeuteversuch“ In: Payk T, Brüne M, Hrsg. „Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie“, 8., überarbeitete Auflage, Stuttgart: Thieme (2021)
- Historisches Lexikon der Schweiz HLS, Hermann Rorschach, https://hls-dhs-dss.ch/... (Abrufdatum: 09.08.2023)
- SWI swissinfo, Der Rorschachtest, https://www.swissinfo.ch/... (Abrufdatum: 03.07.2023)
- Swiss archives of neurology, psychiatry and psychotherapy, Zwischen Naturwissenschaft und Psychoanalyse: Hermann Rorschach und sein Experiment mit Tintenklecksen, https://sanp.ch/... (Abrufdatum: 03.07.2023)