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Am 28. November 2021 stimmten Volk und Stände der Schweizer Volksinitiative “Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)” mit einem Ja-Anteil von 61 Prozent zu. Lanciert wurde die Pflegeinitiative vom Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) mit dem Ziel, die Situation in den Pflegeberufen zu verbessern, mehr Fachpersonal auszubilden und die Austrittsquote zu verringern. Inwieweit die Kantone bereits notwendige Voraussetzungen und Kriterien erfüllen, zeigt eine im Oktober 2022 veröffentlichte Bestandsaufnahme. Das Ergebnis: Es besteht Nachholbedarf.
Was ist Pflegeinitiative genau ist, welche Massnahmen diese umfasst und wie der aktuelle Stand genau aussieht, erläutert daher dieser Artikel.
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Pflegeinitiative – Was ist das?
Der Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) setzt sich bereits seit 2017 für die Pflegeinitiative ein. Das Ziel: Bund und Kantone sollen die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung in der Schweiz anerkennen und fördern.
Im Einzelnen soll sichergestellt werden, dass ausreichend diplomiertes Pflegefachpersonal zur Verfügung steht und dass Pflegefachpersonen entsprechend ihrer Ausbildung und Kompetenzen arbeiten können. Auf diese Weise soll allen Menschen der Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Pflege ermöglicht werden.
Die Initiative sieht die Schaffung eines neuen Verfassungsartikels vor, der die Verbesserung der Situation in den Pflegeberufen festschreibt. Das Parlament hat nach der Annahme des Volksbegehrens dabei vier Jahre Zeit, diesen Gesetzesartikel zu erlassen. Bereits innerhalb von eineinhalb Jahren nach Annahme der Initiative muss der Bundesrat Massnahmen gegen den Mangel an Pflegefachkräften ergreifen.
Pflegeinitiative – Probleme in der Pflege
Warum wurde die Pflegeinitiative in der Schweiz überhaupt notwendig? Antwort darauf gibt ein Blick auf die aktuelle Entwicklung: Zwischen den Jahren 2012 bis 2019 ist der Bestand an Pflege- und Betreuungspersonal in der Schweiz um 19 Prozent gestiegen. Dem steht allerdings eine wachsende Zahl an pflegebedürftigen Personen gegenüber.
Das Bundesamt für Statistik (BFS) schätzt, dass der Anteil der über 65-jährigen Personen an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 25,6 Prozent steigen wird. Mit dem Durchschnittsalter der Bevölkerung nehmen auch Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes zu – der Pflegebedarf steigt entsprechend.
Obsan hat den Mehrbedarf an Pflegepersonal bis zum Jahr 2029 berechnet. Bei Spitälern werden demnach rund 14 Prozent mehr Pflegekräfte benötigt, bei Alters- und Pflegeheimen müssen 26 Prozent und bei Spitex-Organisationen für die ambulante Pflege 19 Prozent mehr Personal beschäftigt werden. Setzen sich die derzeitigen Ausbildungstrends fort, lassen sich bis 2029 jedoch nur 67 Prozent des Personalbedarfs an diplomierten Pflegefachkräften und 80 Prozent des Bedarfs an Pflegekräften der Sekundarstufe II, wie zum Beispiel Medizinischen Praxisassistentinnen (MPA) oder Fachfrauen Gesundheit, decken.
Personalmangel besteht jedoch bereits heute. Laut SBK sind aktuell 14’800 Pflegestellen unbesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass mehr als 40 Prozent der Pflegenden bereits nach wenigen Jahren aus dem Beruf aussteigen. Die Pflegeinitiative soll nun zum einen die Zahl der Auszubildenden erhöhen und zum anderen die Arbeitsbedingungen verbessern, sodass Pflegekräfte länger im Beruf verweilen und einen stärkeren Pflegenotstand abzuwenden.
Pflegeinitiative – Massnahmen
Die Massnahmen der Pflegeinitiative für die Schweiz beziehen sich im Detail dabei auf die Arbeitsbedingungen, die Abgeltung, die berufliche Entwicklung und die Abrechnung. Arbeitsbedingungen und Löhne werden hierbei bislang von Kantonen, Betrieben und Sozialpartnern geregelt. In Zukunft soll laut Initiativtext der Bund verbindliche Vorgaben machen und Ausführungsbestimmungen für die folgenden Bereiche festschreiben:
- für Pflegeleistungen, die Pflegefachpersonen zulasten der Sozialversicherung erbringen, in eigener Verantwortung sowie auf ärztliche Anordnung
- für eine angemessene Abgeltung
- für anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen
- für Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung
Für die Umsetzung der Massnahmen greift der Bund einen am 19. März 2021 vom Parlament verabschiedeten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative wieder auf. Dieser Gegenvorschlag konkretisiert zwei bedeutende Ziele der Initiative: eine über acht Jahre hinweg laufende Ausbildungsoffensive und die Möglichkeit, dass Pflegekräfte bestimmte Leistungen direkt mit der Sozialversicherung abrechnen können.
Der Gesetzesentwurf setzt sich konkret aus drei Teilen zusammen:
- Finanzielle Unterstützung für Spitäler, Pflegeheime und Spitex-Organisationen, die in der praktischen Ausbildung von Pflegepersonen mitarbeiten.
- Finanzielle Unterstützung für Personen, die eine Pflegeausbildung an einer Fachhochschule oder höheren Fachschule absolvieren.
- Zuschüsse für Fachhochschulen und höhere Fachschulen, die mehr Ausbildungsplätze für Pflegekräfte einführen.
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Pflegeinitiative – Aktueller Stand
Der Ständerat hat dem Bundesgesetz über die Ausbildungsoffensive und den eigenverantwortlichen Bereich für Pflegefachpersonen am 13. September 2022 einstimmig zugestimmt. Das erste Paket der Pflegeinitiative Schweiz wurde damit an den Nationalrat überwiesen.
Bei der Umsetzung der Ausbildungsoffensive und der Verteilung der Gelder stehen auch die Kantone in der Pflicht. In welchem Masse sie bereits die gesetzlich vorgegebenen Bedingungen und Kriterien erfüllen, untersucht eine im Oktober 2022 veröffentlichte Bestandsaufnahme des Bundesamts für Gesundheit (BAG). 24 der 26 Kantone haben an der Umfrage teilgenommen, aus Jura und Obwalden gab es keine Rückmeldungen.
Lediglich drei Kantone – Bern, Tessin und Wallis – erfüllen alle im Gesetzesentwurf genannten Kriterien. Zwei Kantone müssen noch punktuelle Anpassungen vornehmen, in elf Kantonen sind drei bis vier Anpassungen notwendig. In zehn Kantonen besteht noch weitergehender Klärungsbedarf. In der Hälfte aller Kantone fehlt es an Bedarfsplanungen gemäss Artikel zwei des Gesetzesentwurfes, Kapazitätsplanungen nach Artikel drei müssen noch 54 Prozent der Kantone einführen.
Die Bestandsaufnahme macht deutlich, dass viele Kantone mit der Anpassung ihrer Gesetze abwarten, bis das nationale Gesetz von der Politik verabschiedet wurde. Der SBK kritisiert hierbei jedoch, dass dadurch wichtige Zeit für die Umsetzung der Ausbildungsoffensive verloren geht.
Pflegeinitiative – Kritik
An der Pflegeinitiative der Schweiz gibt es auch allgemeine Kritik. So sehen es einige Politiker als vorteilhaft an, wenn die Regelung von Arbeitsbedingungen und Löhnen weiterhin von Arbeitgebern und Kantonen erfolgt, da diese die Verhältnisse vor Ort besser kennen. Die Pflege gesondert in einem Verfassungsartikel zu erwähnen, würde ihr zudem gegenüber anderen Berufsgruppen eine Sonderstellung einräumen.
Die aktuelle Umsetzung der Pflegeinitiative in der Schweiz ruft ebenfalls Unmut hervor. Der SBK drängt auf eine schnellere Umsetzung der Ausbildungsoffensive. Die Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz bemängelt hingegen, dass den Kantonen bundesrechtliche Vorgaben fehlen, wie sie das für die Offensive vorgesehene Geld investieren sollen.
Stellenangebote in der Pflege
Wer aktuell auf der Suche nach einer neuen Stelle in der Pflege ist, wird bei Medi-Karriere fündig. Hier gibt es Pflegefachfrauen / Pflegefachmänner Stellen, FaGe Jobs oder Stellenangebote in der Krankenpflege.
- Fedlex, Eidgenössische Volksinitiative „Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)“, https://www.fedlex.admin.ch/... (Abrufdatum: 27.11.2022)
- SRF, Umsetzung der Pflegeinitiative, https://www.srf.ch/... (Abrufdatum: 27.11.2022)
- SWI, Ja zur Pflegeinitiative, https://www.swissinfo.ch/... (Abrufdatum: 27.11.2022)
- SRF, Die Pflege-Initiative kurz erklärt, https://www.srf.ch/... (Abrufdatum: 27.11.2022)