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Der Placebo-Effekt ist schon seit geraumer Zeit in der medizinischen Welt präsent. Schon einige Jahrhunderte vor Christus war der griechische Philosoph Platon der Meinung, dass Kranke allein durch die Macht und Wirkung von Worten geheilt werden könnten. In den anschliessenden 2’000 Jahren haben sich Mediziner/innen und Forscher/innen immer mehr mit diesem Thema beschäftigt. Alle wollten Licht ins Dunkle bringen und herausfinden, welchen Einfluss die psychische Komponente auf die Wirksamkeit von Medikamenten und Behandlungen hat.
Doch was genau ist der Placebo-Effekt eigentlich? Was steckt dahinter und auf welchen Gebieten wird er heutzutage vor allem genutzt? Antworten auf diese sowie weitere Fragen gibt es in diesem Beitrag.
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Was ist der Placebo-Effekt?
Der Placebo-Effekt ist ein Phänomen, dass in der Medizin und der Psychologie häufig auftaucht. Zum besseren Verständnis sollte man zunächst die Bedeutung des Begriffes “Placebo” klären. Dabei handelt es sich um ein Medikament, welches prinzipiell keinen pharmakologisch aktiven Wirkstoff enthält. Dennoch gleicht ein Placebo einem echten Medikament, beispielweise in Form, Aussehen und Geschmack.
Der Placebo-Effekt beschreibt nun die folgende Situation: Durch die Einnahme eines Placebos kommt es zu einer positiven Veränderung des Gesundheitszustands oder des Wohlbefindens einer Person. Anders ausgedrückt: Die Verbesserung erfolgt nicht aufgrund einer tatsächlichen medizinischen Wirkung, sondern aufgrund von komplexen, psychischen Abläufen bei dem/-r Patienten/-in, sodass ihm/ihr schlussendlich aber trotzdem geholfen wird. Mögliche Beispiele sind etwa die Einnahme eines “Scheinmedikaments” oder die simulierte Durchführung einer chirurgischen Intervention (“Scheinoperation”).
Placebos
Prinzipiell lassen sich verschieden Arten von Placebos unterscheiden. Echte / reine Placebos sind die klassischen Scheinmedikamente. Das bedeutet, dass es sich hierbei um Medikamente ohne Wirkstoffe handelt. Diese bestehen beispielsweise nur aus Zucker oder Stärke. Oftmals werden diese Substanzen auch noch Hilfsstoffe zugesetzt, wie Geschmacks- oder Farbstoffe.
Bei der zweiten Gruppe hingegen, den Pseudo-Placebos, handelt es sich prinzipiell um echte Medikamente mit einem enthaltenen Wirkstoff. Allerdings können die verabreichten Mittel nach aktueller wissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt keine Wirkung entfalten, da entweder die Dosis zu niedrig ist oder das zu erwartende Wirkspektrum keinen Einfluss auf die vorliegende Krankheit hat.
Schliesslich kann man auch noch aktive Placebos abgrenzen. Diese enthalten zwar nicht den eigentlichen Wirkstoff eines Medikaments, ahmen allerdings trotzdem die Nebenwirkungen der Substanz nach.
Placebo-Effekt – Anwendungsbereiche
Der Placebo-Effekt findet in verschiedenen Bereichen der Medizin Anwendung. Er kann bei einer Reihe von Krankheiten und Symptomen genutzt werden, um positive Veränderungen im Gesundheitszustand der Patienten/-innen zu bewirken.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Placebo-Effekt keine vollständige Heilung oder Behandlung von Krankheiten bewirken kann. Er kann jedoch als Ergänzung zu konventionellen medizinischen Therapien eingesetzt werden, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Patienten/-innen zu verbessern.
Klassische Anwendungsgebiete sind etwa die Schmerzbehandlung. In diesem Bereich wird der Placebo-Effekt häufig zur Therapie von chronischen Schmerzen genutzt, hauptsächlich als ergänzende Behandlung zur Kombination mit anderen Schmerztherapien.
Darüber hinaus konnte man auch bei der Behandlung spezifischer Erkrankungen positive Placebo-Effekte beobachten. Hierzu zählen beispielsweise Magen-Darm-Krankheiten, wie das Reizdarmsyndrom, und auch Allergien und Hauterkrankungen.
Placebo-Effekt in der Psychologie
In psychotherapeutischen Kontexten kann der Placebo-Effekt bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen eingesetzt werden. Studien haben gezeigt, dass der Glaube des/-r Behandelten an die Wirksamkeit der Therapie eine Rolle bei der Verbesserung der psychischen Symptome spielen kann.
Der Effekt ist in dieser Hinsicht jedoch massgeblich von der zugrundeliegenden Problematik beziehungsweise dem spezifischen Störungsbild abhängig. Zum Beispiel zeigt der Placebo-Effekt starke Wirkungen bei der Behandlung von Depressionen und Angststörungen. Betrachtet man das weite Spektrum an Nebenwirkungen, dass eine konventionelle Behandlung mit Psychopharmaka mit sich bringt, so kommt dem Placebo-Effekt in dieser Hinsicht ein grosses Potential zu. Dahingegen fällt er deutlich schwächer bei anderen Krankheitsbildern aus. Hierzu zählen beispielsweise Zwangsstörungen oder Psychosen.
Placebo-Effekt in der Forschung
Placebos werden im Bereich der Forschung in verschiedenen Kontexten und Phasen verwendet. Klassischerweise kommen sie dabei zum Vergleich in klinischen Studien zum Einsatz. In randomisierten, kontrollierten Studien werden Placebos oft als Kontrollgruppen eingesetzt.
Bei solchen Studien werden die Teilnehmer/innen zufällig entweder der Interventionsgruppe zugewiesen, die die tatsächliche Behandlung erhält, oder der Placebo-Gruppe, die eine Scheinbehandlung oder ein pharmakologisch wirkungsloses Scheinpräparat bekommt. Dadurch können Forscher/innen die tatsächliche Wirkung der Behandlung von der Wirkung des Placebos und des Placebo-Effekts unterscheiden.
Die Verwendung von Placebos in der Forschung erfolgt jedoch unter strengen ethischen Richtlinien, um die Sicherheit und das Wohlergehen der Teilnehmer/innen zu gewährleisten.
Placebo-Effekt – Funktionsweise
Die genauen Mechanismen hinter der Funktionsweise des Placebo-Effekts sind heute nach wie vor noch nicht ganz verstanden. Dementsprechend sind sie immer noch Gegenstand intensiver Forschung. Bei den hier vorgestellten Funktionsweisen handelt es sich um aktuell vorliegende Theorien, die aber noch nicht zu 100 Prozent bestätigt werden konnten. Vorwegschicken kann man allerdings, dass der Effekt vermutlich umso geringer ausfällt, je schwerer die vorliegende, organische Störung ist.
Die beiden populärsten Theorien zur Erklärung des Placebo-Effekts sind erstens die Erwartungstheorie und zweitens das Prinzip der Konditionierung.
Theorie der Erwartung
Die Theorie der Erwartung geht davon aus, dass der/die Patient/in durch die Einnahme einer Substanz mit einer Besserung der persönlichen Beschwerden rechnet. Diese Erwartung wiederum führt zu einer Ausschüttung von körpereigenen Substanzen im Gehirn, die (stark vereinfacht) beispielsweise die endogene Schmerzlinderung fördern. Hierbei spielen womöglich neurobiologische Prozesse eine entscheidende Rolle. Etwa die Ausschüttung von Endorphinen im Zentralen Nervensystem könnte daran beteiligt sein.
Für diese erste Theorie spricht auch der Umstand, dass in Studien gezeigt wurde, wie eine umgekehrte Konstellation die Wirkung eines Medikaments sogar abschwächen kann. Ohne die Information, was genau und für welchen Zweck man eine Substanz bekommen hat, wirken zum Teil sogar starke Schmerzmittel wie Morphium weniger gut. Eine positive Erwartung an die Wirksamkeit eines Medikaments kann zudem durch eine gute und vertrauensvolle Therapeut-Patient-Beziehung verstärkt werden.
Eine beeindruckende Studie untermauert diese These weiter. In einem Experiment mit einem Patientenklientel von Asthmatikern/-innen kamen zwei verschiedene Medikamente zum Einsatz. Dies waren zum einen die Bronchien erweiternde Substanz Isoprotenerol, sowie Carbachol, was die Bronchien verengt. Während der einen Patientengruppe vor Verabreichung eines der Medikamente die Wahrheit über die zu erwartende Wirkung gesagt wurde, bekam eine andere Gruppe genau den gegenteiligen Effekt versprochen.
Die Ergebnisse ergaben, dass zum einen die Wirkung beider Substanzen stärker ausfiel, wenn der/die Asthmatiker/in von der zu erwartenden Wirkung (aufgrund der pharmakologischen Eigenschaften) wusste. Zum anderen konnte aber auch gezeigt werden, dass auch mit dem eigentlich Bronchien verengenden Medikament Carbachol eine Bronchienerweiterung erzielt werden konnte, wenn die Patienten/-innen diesen Effekt erwarteten. Daraus lässt sich ableiten, dass die Erwartung den Placebo-Effekt derart verstärken kann, dass die chemische Wirkung des Stoffes aufgehoben und sogar umgekehrt wurde.
Konditionierung
Die zweite Theorie der Konditionierung konnte Manfred Schedlowski in einem Tierexperiment mit Ratten demonstrieren. Die Tiere erhielten zunächst eine Herztransplantation und wurden anschliessend mit Immunsuppressiva (Cyclosporin A) behandelt. Während die eine Gruppe an Tieren das Medikament zusammen mit einer Süssstoff-Lösung erhielten, bekam die zweite Gruppe Cyclosporin A lediglich mit Wasser verabreicht. Wasser hat per se keine konditionierende Wirkung. Nach drei Tagen wurde das Medikament in beiden Gruppen abgesetzt.
Die Ratten erhielten dann nur noch die Süssstoff-Lösung beziehungsweise das Wasser. Heraus kam dabei, dass die eine Gruppe Ratten durch die Konditionierung mit dem Süssstoff eine anhaltende Immunsuppression zeigten. Dahingegen liess die Wirkung von Cyclosporin A in der Wasser-Gruppe nach den drei Tagen deutlich nach.
Nocebo-Effekt
Der Nocebo-Effekt ist das Gegenteil des Placebo-Effekts. Die Erwartung, dass durch die Einnahme eines gewissen Präparates Beschwerden auftreten oder sich verschlimmern, führt tatsächlich dazu. Beispiele für den Nocebo-Effekt sind etwa, wenn Patienten/-innen erst nach dem Lesen des Beipackzettels (mit allen in Frage kommenden Komplikationen) Nebenwirkungen entwickeln. Auch die Aufklärung zu möglichen Nebenwirkungen vor der Teilnahme an einer Studie kann zu einem Nocebo-Effekt führen.
Dieses Gegenstück zum Placebo-Effekt ist allerdings weitaus weniger untersucht. Nichtsdestotrotz ist es wahrscheinlich, dass seine Effekte auf ähnliche Mechanismen wie beim Placebo-Effekt zurückzuführen sind.
In der Framingham-Herz-Studie wurden Frauen beobachtet, die von sich selbst sagten, sie wären anfälliger für Herzkrankheiten als andere. In dem Beobachtungszeitraum von 20 Jahren zeigte sich, dass diese Gruppe Frauen im Vergleich zu Kontrollgruppen tatsächlich auch eine viermal höhere Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt oder einen plötzlichen Herztod aufwiesen.
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Häufige Fragen
- Wie funktioniert der Placebo-Effekt?
- Wie stark ist der Placebo-Effekt?
- Wann wirkt der Placebo-Effekt?
- Ist der Placebo-Effekt bewiesen?
Der Placebo-Effekt funktioniert vermutlich wie folgt: Durch die erwartete Wirkung, die die Einnahme eines Präparates mit sich bringt, tritt diese Wirkung tatsächlich ein. Das kann jedoch beim Placebo-Effekt unabhängig davon sein, ob das Medikament diese Wirkung tatsächlich in pharmakologischer Hinsicht vollbringt oder nicht. Die Erwartungshaltung führt wahrscheinlich über diverse neurobiologische Prozesse zu der gewünschten Wirkung. Der genaue Wirkmechanismus ist jedoch bisher noch nicht geklärt. Daher gibt es verschiedene Theorien zur Funktionsweise des Effektes.
Die Stärke des Placebo-Effekts lässt sich schwer objektiv messen. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass er in vielerlei Hinsicht stark positive Effekte auf die Therapie von gewissen Erkrankungen haben kann. Beispielsweise zählen hierzu Depressionen, Angststörungen, Magen-Darm-Erkrankungen und chronische Schmerzleiden. Der Placebo-Effekt konnte in Studien die Beschwerden von Betroffenen massgeblich lindern.
Der Placebo-Effekt kann zu verschiedenen Zeitpunkten wirksam sein, was von verschiedenen Faktoren abhängt, darunter die Art der Erkrankung, die individuelle Reaktion des/-r Patienten/-in und die spezifische Behandlungssituation. Im Allgemeinen kann man drei Hauptphasen identifizieren, in denen der Placebo-Effekt wirksam sein kann. Diese sind einmal eine Wirkung bereits vor einer Massnahme, alleinig durch den Glauben und die Erwartung an positive Effekte. Ausserdem können Placebo-Effekte auch unmittelbar nach einer Medikamenteneinnahme oder aber langfristig zu einer Verbesserung von Symptomen führen.
Der Placebo-Effekt konnte schon in diversen Studien nachgewiesen werden, zum Beispiel bei der medikamentösen Behandlung von Depressionen. Allerdings ist der genaue Wirkmechanismus hinter diesem Phänomen noch nicht genau geklärt und ist nach wie vor Gegenstand der Forschung. Mögliche Theorien für die Funktionsweise sind etwa die Erwartungshaltung oder der Mechanismus der Konditionierung.
- SRF, Placebo und Nocebo – Die erstaunliche Kraft des “Nichts”, https://www.srf.ch/... (letztes Abrufdatum: 27.11.2023)
- Thieme, Grundlagen der Pharmakologie, https://viamedici.thieme.de/... (letztes Abrufdatum: 27.11.2023)
- Amboss, https://next.amboss.com/... (letztes Abrufdatum: 30.07.2023)